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{colours of my life}
Ecoprint

India Flint´s EcoPrint

11/05/2018

Nur so aus dem Augenwinkel habe ich Ecoprint das erste Mal wahrgenommen. Das ist schon dreivier Jahre her. Ein Artikel in einer Ausgabe der Happinez beschäftigte sich mit der australischen Textilkünstlerin India Flint (heißt die echt so???). Wenig Geschriebenes und die Bilder waren ganz und gar wunderbar. Stoffe im Gegenlicht, mit zart und konturiert abgebildeten Blättern. So richtig verstanden, um was es da geht, habe ich damals nicht. Als Textilbesessene haben mich natürlich nicht nur die Fotos begeistert. Ich begann im Internet zu suchen und wurde erstaunlicherweise nicht wirklich fündig. Bei manchen Themen überschwappt es einen regelrecht, aber hier blieb alles eher rar. Das machte es für mich um so interessanter!

Um was geht es dabei? Was soll das? Wie funktioniert es? Was ist möglich und wo sind die Grenzen? Welches Material wird gebraucht? Die Idee lag eine Weile auf Eis.

Eucalyptus auf feinem Wollgewebe

Ich fand bei YouTube einiges, aber fast ausschließlich aus den USA. Tutorials von suuuuuperbegeisterten Amerikanerinnen die immer wieder betonen, wie unglaublich und schön und bewundernswert und einzigartig diese Technik und noch viel mehr IHRE eigenen Werkstücke sind und man unbedingt ihren Blog aber noch viel besser gleich ihre Workshops besuchen soll. Also viel Eigenlob und Eigenwerbung, aber wenig Anleitung. Auch habe ich habe ein paar wirklich schöne deutsche Blogs gefunden, die sich mit Naturfarben und Textilien beschäftigen und zum Thema Eco Print etwas mitzuteilen haben: Machwerke, AugentrostBrunhilde Scheidmeir und Textile Ideen

Absolut wunderschön ist India Flints ruhiger, fast melancholischer Take, aus Nordengland. Auch hier keine Anleitung, aber Anregung: Sehr inspirierend. Der Link führt auf ihre Homepage, dieser zum Film.

verschiedene Blüten auf gebeizter Baumwolle

Langsam verstand ich den Grund für die spärliche Anleitung. Die Technik an sich ist supereinfach: Stoff, Blätter, Wasser-Dampf. Aber je geringer die Materialien und Werkzeuge sind, desto mehr liegt das Können in Erfahrung und somit im Zeitaufwand. Es ist unmöglich ein Ergebnis zu zeigen, eine Schal oder ein Shirt und dann zu sagen, „Step 1, 2, 3…. und dann hast du genau das, was ich dir hier gezeigt habe“. Es ist ein künstlerisches Verfahren und warum sollte ein Künstler alles verraten, was er weiß und kann. selbstbewusst kann er sagen, „lerne Kunst, dann suche Deinen eigenen Weg, das ist meiner!“. Das sollte man respektieren.

Im letzten Sommer habe ich mich dann endlich rangetraut. Als Ergotherapeutin weiß ich nur zu gut, wie sehr innerhalb der Handlungsplanung der Teufel im Detail steckt und Dinge, die allzu einfach wirken, durchaus anspruchsvolle Projekte sein können. Nichts geht über Fehler machen, Erfahrungen sammeln, Beschaffenheit erkunden, andere Wege erproben. Also Anpacken! Anders funktioniert es nicht.

Inzwischen verfüge ich über einiges an Erfahrung, habe mit Sud und Beize experimentiert, zusätzliche Naturfarben verwendet und einige schöne Ergebnisse erhalten. Auch habe ich ein wenig eine Vorliebe entwickelt: Rose und Eiche. Eine wilde Mischung davon ist auf den Fotos hier zu sehen.

Eucalyptus, andere Blätter und Beeren auf Wolle

Die Möglichkeiten der Kontrolle, was am sich Ende auf dem Stoff (oder dem Papier) zeigt, ist eher gering. Die Variablen sind enorm:

  • Die Qualität der Blätter, die Beschaffenheit des bedruckten Materials
  • Die Mehrfachabdrucke, die durch das Aufrollen und Durchschlagen der Farben auf die drunter liegenden Schichten entstehen (die übrigens in vielen der Tutorials auf You Tube, mit Plastikfolie verhindert werden, um „saubere“ Drucke zu erhalten, was mit der ökologischen Grundidee von India Flint überhaupt nichts mehr zu tun hat! Man sollte auf das Zwischenlegen von Papieren oder eines zweiten Stoffes zurückgreifen, wenn man diesen Effekt verringern möchte.)
  • Das Entstehen von Flecken. Manchmal geraten die Abdrucke nur schemenhaft oder schattiert, ohne kontrastreiche Ränder oder die Stiele bluten aus. Das ist Teil dieses Verfahrens und nicht zu verhindern, es gehört dazu. Auch dabei handelt es sich um Farben, die von den Blättern an den Stoff oder das Papier abgegeben werden. Rein vom gestalterischen Standpunkt aus, trifft das nicht jeden Geschmack. Manche finden, die Stoffe sehen einfach dreckig aus.
  • Dazu kommt die begrenzte und nur gering zu beeinflussende Farbpalette. Allerdings können klassische Naturfarben, die direkt, vorher oder nachher mitverwendet werden, wunderbare Ergebnisse erzielen. Ich kann nicht sagen „Dieses Blatt will ich in dieser Farbe haben“. Mit etwas Erfahrung weiß ich, das dieses Blatt, mit einer bestimmten Beize auf einem bestimmten Untergrund, z.B. eher Grüntöne entwickelt.
  • Die Weiterverarbeitung ist für viele ein wichtiger Punkt. Was mache ich mit Papieren oder Stoffstücken. Ein Interesse am Nähen und der Papierverarbeitung kann von Vorteil sein. Aber ohne ein Interesse in diesen Bereichen kommt man vielleicht auch gar nicht zum Eco-Print

Die Freude am Experimentieren steht also im Vordergrund. Man muss die Kontrolle verlieren können und sich auf den Prozess einlassen, ohne das Ergebnis schon vorher festlegen zu wollen. Es gibt keine Pannen, kein „Oh Gott, so wollte ich das ja gar nicht haben, das Bild auf Pinterest war doch so und so, was habe ich denn nur falsch gemacht?!“.

verschiedene Blätter, Cochenille und Blauholz auf veganem Leder

Denn es gibt keine Fehler in der Natur, es gibt Ereignisse und EcoPrint ist als absolut natürlicher Prozess und Abbildung solcher Ereignisse zu sehen: Blätter geben durch Wärme, Zeit, Feuchtigkeit und evtl. unter dem Einsatz von beizenden Substanzen, Farbstoffe an Fasern ab, die sich dort dauerhaft verankern.

In Mannheim, also quasi bei mir um die Ecke, gibt es einen Laden, der nicht nur die nötigen Materialien verkauft, sondern sozusagen DIE deutschsprachige Adresse zum Ecoprint ist. Es gibt ein deutschsprachiges Buch, das der Ladeninhaber Fritz Jeromin mit der in Speyer ansässigen Textilkünstlerin Brunhilde Scheidmeier verfasst hat und im Eigenverlag vertreibt, es gibt weiße Stoffe in unterschiedlichen Qualitäten und alles zum Thema Textilveredlung. Hier ist die Webseite. Das schönste aber sind die Workshops, die ganzjährig angeboten werden. Noch schöner ist der Erfahrungsschatz der Inhaber, den sie gerne teilen und die Vielzahl an Referenten, die sie für die Workshops einladen.

Neben einigen internationalen Textilkünstlerinnen geben übrigens auch Michaela Müller und Kristina Schaper Workshops bei Jeromin.

Ich geh jetzt mal Blätter pflücken,

herzlichst, Kerstin

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